Eine amerikanische Studie will im Netz besondere Möglichkeiten Intelligenz zu fördern gefunden haben. Eine Internetumfrage (ahja) unter 900 Leuten (doch so „viele“?), von denen die Hälfte „prominent scientists, business leaders, consultants, writers and technology developers“ und die andere Hälfte per Twitter&Co gefundene Leute sind, hat u.a. „herausgefunden“:
two-thirds said reading and writing skills and the rendering of knowledge will be enhanced by 2020 due to the influence of the Internet.
Die vermeintliche Leseverbesserung fängt damit an, dass der Autor der oben zitierten Summary aus der Angabe von 81% in der Studie (S.5) 2/3 also 66% macht. Aber okay, wir haben ja noch nicht 2020. Ein bißchen mehr Bauchweh bekomme ich, wenn ich sehe, dass in dieser „Studie“ ~40 von 45 Seiten aus Zitaten von Beteiligten bestehen. Aber vielleicht sind das auch nur meine antiquierten Anforderungen an eine Studie als Prä-2000-Geborener, die sich da äußern.
Offensichtlich stimme ich nicht in den Tenor der „Studie“ ein und bin damit weder der Erste noch Einzige. In einer Zeit in der Betriebssysteme und Software immer mehr auf visuelle Elemente setzen, Textfelder durch Icons ersetzt werden und Suchmaschinen Gleichungen lösen, begibt man sich aus Bequemlichkeit in eine technische Abhängigkeit. Kant würde es wohl als selbstverschuldete Unmündigkeit bezeichnen. Inzwischen kann man das Alter seines Gegenübers in Chats und Foren ziemlich gut anhand von der Verwendung von Groß-/Kleinschreibung, Satzzeichen, Absätzen und Orthographie erkennen. Auf längere Beiträge in Foren folgt inzwischen ein „tl;dr„. too long. didn´t read. Aus dem fehlenden Willen (oder Können?) des Lesers den Beitrag zu lesen wird der implizite Vorwurf an den Autor:“Du schreibst zu lang als dass man es lesen könnte.“ Sind das wirklich Relikte einer überkommenen Form der Kommunikation?
Ich will das Internet nicht verteufeln oder das Medium Buch auf einen Thron hieven, aber ein bißchen mehr Konzentration, eine tiefergehende Beschäftigung mit etwas, könnte allen gut tun. Das sind nur Kleinigkeiten wie die Anleitung lesen und nicht gleich beim Telefonsupport beschweren.
Dass Bücher auch nicht ohne sind, hat bereit jemand anders treffend auf den Punkt gebracht:
Wann wir lesen, denkt ein Anderer für uns: wir wiederholen bloß seinen mentalen Proceß. […] Eben daher kommt es auch, daß wer sehr viel und fast den ganzen Tag liest, dazwischen aber sich in gedankenlosem Zeitvertreibe erholt, die Fähigkeit, selbst zu denken, allmälig verliert, – wie Einer, der immer reitet, zuletzt das Gehn verlernt.Arthur Schopenhauer: § 291 Ueber Lesen und Bücher (Kapitel XXIV von Parerga und Paralipomena II).
Also hör nun auf das hier zu lesen und geh´ mal wieder ein selbst paar Schritte! Sapere aude!
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