Es hat sich ein kleines Zeitfenster geöffnet. Von jetzt bis maximal zum 11. Juli ist es möglich, sich selbst und seine Umgebung in schwarz-rot-gold zu verunstalten, für „´SCHLAND!“ zu fiebern und nach so einem 4:0 auch ein bisschen stolz zu sein. Das allein treibt schon bisweilen merkwürdige Blüten (Vuvuzelas, Vuvustops, Seitenspiegelkondome, „Rudelgucken“,Afrikadellen…). Etwas heikler ist, dass sich ein Nationalgefühl, Patriotismus, ein „Wir“ unter den Deutschen ausbreitet und verschollen geglaubte Phrasen reaktiviert. Bela Rethy will Blitzangriffe über rechts, spricht Özil deutsche Tugenden ab. Für ein paar Ewiggestrige seien die Deutschen eine Internationalmannschaft bei Namen wie Aogo, Taşçı, Boateng, Khedira, Özil, Trachowski, Podolski, Cacau und Klose. Frau Müller-Hohenstein will sogar einen inneren Reichsparteitag für Klose ausgemacht haben. Jetzt mal ganz im Ernst. Da zeigt sich nicht nur Der_Fuehrer irritiert und die Welt sucht nach nationalsozialistischen Altlasten im Wortschatz (Tabellenführer?) und stellt sich selbst ein Bein. Es fehlte einzig eine Abmoderation wie „und mit diesem Endsieg gibt die Wochenschau aus den deutschen Kolonien in Afrika zurück in die Hauptstadt.“ Das gab es schon einmal, als Satire. Aber wenn selbst die TAZ es locker nimmt, dann kann es ja gar nicht so schlimm sein? Zumal gibt es bereits ein Gerät, das Nazometer, welches auf genau solche Unachtsamkeiten aufmerksam machen soll. Schade, dass für das ZDF wohl kein Exemplar mehr übrig war. Aber die Frage bleibt. Was ist deutsch bzw. was sind die deutschen (Fußball)Tugenden?
Die deutschen Fußballtugenden sind noch einfach erklärbar. Die Deutschen spielen keinen schönen, trickreichen Fußball, sondern sind pragmatisch, laufen nach verlorenen Zweikämpfe hinter her und arbeiten bis der Schiedsrichter abpfeift. „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“ wusste schon 1984 Helmut Kohl und auch Gary Lineker bringt es mit „Football is a simple game: 22 men chase a ball for 90 minutes and at the end, the Germans win“ auf den Punkt.
An der Frage was das deutsche Volkstum sei, haben sich schon viele Literaten, Philosophen, Politiker, jeder… abgearbeitet und doch keine wirklich überzeugende Antwort gefunden. Was ist D/deutsch? Ist es die Sprache? Ist es ein Gebiet? Ist es ein beständiger Kern oder etwas von den Umständen abhängiges? Letzte Woche bin ich durch Zufall auf eine neue Lösung gestoßen. „Du siehst ja heute richtig deutsch aus!“ Der Irritation folgte die Einsicht: Deutsch ist…Socken in Sandalen zu tragen.
Gefällt mir Wird geladen …